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Spielerisch die Welt entdecken - Häuptling Rosi und ihre kleinen Umwelt-Helden

In dem idyllischen Pfarrdorf Griesbach, im Herzen des oberpfälzer Landkreises Tirschenreuth, haben die „Waldindianer“ ihre Zelte aufgeschlagen. Aber keine Angst: Sie sind unbewaffnet und kommen in Frieden: Denn die Waldindianer sind eine Kindergruppe des Oberpfälzer Waldvereins, kurz OWV, in Griesbach. Sie treffen sich einmal pro Woche unter der Leitung ihres weiblichen Häuptlings, besser bekannt als Rosi. Die 51-Jährige mit dem warmen Lächeln ist nicht nur Jugendwartin des Oberpfälzer Waldvereins, sondern auch eine leidenschaftliche Botschafterin für Musik und Umweltschutz.


Mit einer gehörigen Portion Herzblut - und manchmal auch mit viel Geduld - begleitet Rosi ihre kleinen Helfer zwischen drei und zwölf Jahren durch die Welt - und durch die Wälder rund um Griesbach. Bei ihren unterschiedlichen Aktivitäten entdecken die Kinder gemeinsam die Wunder der Natur, lernen die Tier- und Pflanzenwelt kennen und genießen die Freiheit des Draußenseins. Doch Rosi hat noch eine weitere Mission: Sie möchte den Kindern beibringen, wie wichtig es ist, die Umwelt zu schützen.

Eine ihrer Herzensangelegenheiten ist daher das sogenannte „Ramadama“, ein gemeinsamer Aufräumtag, bei dem die Waldindianer mit Eimern und Arbeitshandschuhen ausgerüstet durch die Wälder ziehen, um Müll und Unrat zu beseitigen. „Wir machen quasi einen Frühjahrsputz in der Umwelt“, scherzt Rosi. Im Mai 2024 pirschten zwölf fleißige Waldindianer mit ihr durch die Wälder. Der Müllberg, den sie nach etwa eineinhalb Stunden zusammengesammelt hatten, fiel dieses Mal verhältnismäßig klein aus. Das sei allerdings nicht immer so gewesen. Es habe bereits Ramadamas gegeben, nach denen Rosi den Müll mit dem Autoanhänger verfahren musste. Mittlerweile habe sich aber schon wirklich viel getan, erklärt Rosi. Die Erwachsenen achten nun doch etwas mehr auf die Natur, so die 51-Jährige weiter.

Die Aufräumaktion sei nicht nur ein praktischer Beitrag zum Umweltschutz, sondern auch eine wertvolle Lektion für die Kinder. Rosi legt großen Wert darauf, dass ihre Waldindianer verstehen, wie wichtig es ist, Müll nicht achtlos draußen wegzuwerfen, sondern die Natur zu respektieren. „Abfälle gehören einfach nicht in den Wald“, betont Rosi mit Nachdruck, aber ohne das Kriegsbeil auszugraben.
Durch ihr Engagement möchte sie die Kinder sensibilisieren und ihnen ein Bewusstsein für ihre Verantwortung gegenüber der Umwelt vermitteln. Um dieses Verantwortungsbewusstsein der Kleinen zu fördern und ihre Einstellung gegenüber Dingen zu prägen, für die sie im ersten Moment vielleicht nicht direkt verantwortlich sind, müsse man neben dem Spaß auch an das Belohnungssystem der Kinder appellieren. So gebe es nach jedem Ramadama im Vereinsheim natürlich auch immer eine deftige Brotzeit für die fleißigen Abfallsammler.

 

 

 

 

 


Mit dem Oberpfälzer Waldverein verbindet Rosi aber vor allem auch die Musik. Für eine ganze Generation von Kindern und Jugendlichen sei der OWV in Griesbach nicht einfach nur ein Ort des Zusammenkommens gewesen, sondern auch ein Ort, an dem erste musikalische Erfahrungen gesammelt werden konnten, so Rosi.
Mit dem OWV verbinde sie ihre Kindheit, erzählt sie und blickt in Erinnerungen schwelgend auf eine wahrhaft prägende Vergangenheit zurück. Damals, als Mädchen, habe es für sie eigentlich nichts anderes gegeben. Ihre ersten Berührungen mit der Musik machte Rosi in einer kleinen Jugendgruppe. Gemeinsam lernten sie Volkstänze in klassischer Form, später auch die heute eher in Vergessenheit geratenden Instrumente Zither oder Hackbrett. Die ersten Gitarrengriffe ließen allerdings auch nicht lange auf sich warten. Die Gruppe wuchs und formierte sich bald zu einem großen Mädchenchor, der sogar für Hochzeiten gebucht wurde, erinnert sich Rosi verträumt. 
2009 kam dann die Anfrage des OWV: „Mensch, würdest du Jugendwartin […] machen? Wir brauchen noch jemanden.“ Für Rosi war die Antwort natürlich sofort klar: „Ja, warum nicht?“ Und so übernahm sie die musikalische Früherziehung von der örtlichen Blaskapelle. Aktuell betreut Rosi jetzt jeden Freitag vier Musikgruppen hintereinander - von den ganz Kleinen im Kindergartenalter bis hin zu ihren Großen, den zwölfjährigen Mädchen.

 

 

 

 

 


Musik ist für Rosi nicht nur ein Hobby, sondern ein wichtiger Bestandteil ihrer Lebenseinstellung, fernab des Perfektionismus: „Das ist etwas für mich, das ich für mich auch Zuhause ganz alleine mache, alles nicht wirklich gut, aber mit voller Hingabe“. In ihrer Rolle als Jugendwartin weiß sie, wie wichtig es ist, Kinder für Musik zu motivieren, ohne sie zu überfordern. In unserer modernen Welt, in der Kinder ohnehin mit schulischen Verpflichtungen und einem straffen Programm an Freizeitaktivitäten gefordert sind, setzt Rosi bei der musikalische Früherziehung in erster Linie darauf, bei den Kindern das Interesse an der Musik zu wecken. Wenn das nicht klappt, werde das Kind vielleicht einfach noch nicht so weit sein.

Im „Musikgarten“, wie Rosi die ganz Kleinen nennt, startet sie ihre musikalische Reise mit den vielfältigen Instrumenten von Carl Orff, also zum Beispiel mit der Triangel, einem Schellenring oder mit verschiedenen Rasseln. Zunächst gehe es darum, die unterschiedlichen Klänge zu erkunden. Bei verschiedenen Klanggeschichten, die Rosi ihren Kleinsten voller Hingabe vorliest, haben die Kinder die Möglichkeit, mit Instrumenten bestimmte Geräusche nachzubilden. In einer großen Kiste dürfen sie dazu nach Herzenslust stöbern und sich ihre Lieblingsinstrumente aussuchen. Sie beginnen auch mit ersten Rhythmusgeschichten – sei es beim Klatschen oder beim Trommeln. Durch diese Übungen entwickeln sie ein besseres Gefühl für Musik und den damit verbundenen Klang - und sie lernen zu verstehen, dass Musik vielschichtig und variabel ist.
In der zweiten Gruppe, die Rosi liebevoll die „Musikminis“ nennt, betreten dann die Grundschulkinder die Bühne. Sie sind bereit, die ersten Töne auf ihren Instrumenten zu lernen. Hierzu stehen Flöte, Gitarre, Ukulele und Glockenspiel zur Auswahl. Die aktuellen Minis konzentrieren sich noch auf die Grundlagen der Musik, beginnend mit den unterschiedlichen Tonlängen, also zum Beispiel mit den Fragen, was ist eine Viertelnote, was ist eine halbe Note und was ist eine ganze Note? Im Anschluss fangen sie aber auch schon „langsam an, erste Töne […] auf dem Instrument zu erkunden“, berichtet Rosi stolz. Diese Gruppe bleibt in der Regel etwa eineinhalb Jahre bei ihr, bis sie die Töne auf ihren Instrumenten sicher beherrschen.
Danach werden sie zu den „Musikmaxis“ und können bereits erste Lieder von C bis D2 spielen. Die Maxis sollen ein Gefühl für Musik entwickeln – alles in einem entspannten Tempo, ohne Druck. Die acht Großen, eine reine Mädelsgruppe, haben ihre Instrumente bereits gut im Griff und spielen zum Teil auch in der örtlichen Blaskapelle. Bei ihrem letzten Vorspiel im Juni stand das Thema Schlager im Fokus. Hier haben sie verschiedene Lieder wie „Atemlos“ von Helene Fischer und weitere bekannte Hits mit Bravour gemeistert, teilweise sogar zweistimmig, berichtet die 51-Jährige voller Stolz. Außerdem unterstützen die Mädels ihre Rosi auch bei der musikalischen Gestaltung von Gottesdiensten.

Rosis Begeisterung dafür, Kinder zu inspirieren, ist in dem kleinen Vereinsheim in Griesbach in jeder Sekunde spürbar. Rosi engagiert sich ehrenamtlich, zum Wohl der Gesellschaft ebenso wie zu ihrem persönlichen Vergnügen. „Nein, ich bekomme nichts Materielles dafür, aber mich freut es total, wenn die Kinder hereingesprungen kommen und sagen: Hallo Rosi, ich hab wieder geübt! Oder: Ich hab nichts geübt und jetzt müssen wir mal schauen“, schwärmt sie mit strahlenden Augen. Es sind Momente wie diese, die für sie unbezahlbar sind und ihr immer wieder ein Lächelns ins Gesicht zaubern.
Nach einer kurzen Pause erklärt Rosi weiter, dass sie aus verschiednen Gründen viel Zeit geschenkt bekommen habe. Und bevor sie diese Zeit alleine zu Hause verbringe, gebe sie sie wirklich gerne weiter. „Mir ist es […] wichtig, dass die, die zu mir kommen oder mit denen ich etwas mache, das auch wirklich zu schätzen wissen. Und wenn es nur einer ist, das reicht“ - eine bescheidene Aussage für einen wertvollen Dienst an den Jüngsten unserer Gesellschaft.

Doch dieser Dienst ist nicht immer einfach. „Jeden Donnerstagabend, wenn ich merke, dass die Gruppenstunde noch nicht ganz vorbereitet ist, ist das eine große Herausforderung für mich“, gesteht sie etwas verlegen ein. Rosi hat gelernt, sich den Bedürfnissen der Kinder anzupassen und sie in den dynamischen Prozess der Gruppenstunden mit einzubeziehen. „Wenn ich mal nicht ganz fertig […] [bin], dann lachen wir halt darüber und dann passt das.“ Die Kinder freuen sich bei unseren Treffen über die einfachsten Dinge, erzählt Rosi freudig. „Wenn ich bloß ein Papier nehme und wir ein Himmel und Hölle falten, dann ist das für die Kinder ein echtes […] Highlight.“
Die größte Herausforderung bei ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit liegt für Rosi jedoch darin, neue Kinder in die Gruppe zu integrieren. Denn: Jedes Kind ist anders und in einer Gruppe von fünf bis zwölf Kindern kann - wer kennt es nicht? - durchaus schnell ein gewisses Chaos entstehen. Daher hat Rosi gelernt, klare Anweisungen zu geben und dabei auch immer den richtigen Ton zu treffen. Es sei wichtig, dass Kinder erkennen können, was von ihnen erwartet wird, ohne dass sie sich verschreckt oder eingeschüchtert fühlen, erklärt sie. Man müsse einen Rahmen schaffen, der zwar Spaß macht, der aber auch eine gewisse Struktur bietet.

Für Rosi ist ihr ehrenamtliches Engagement mehr als nur eine reine Freizeitbeschäftigung. Sie ist davon überzeugt, dass dem Ehrenamt auch wieder ein höherer Stellenwert in unserer Gesellschaft eingeräumt werden sollte. Denn sie möchte die Idee fördern, einen Nutzen zu erschaffen, ohne dabei an den eigenen Nutzen zu denken. Ein „Ehrenamt ist zeitintensiv […], ganz egal was man macht […] es ist einfach so, […] aber […] ich finde es einfach erfüllend.“

Rosi ist eine von vielen, die sich im Landkreis Tirschenreuth ehrenamtlich engagieren und durch ihre Leidenschaft und ihre Hingabe das Leben anderer bereichern. Ihr Beispiel zeigt, wie wertvoll Zeit und Zuwendung sind – unbezahlbar in ihrer Wirkung und von unermesslichem Wert für die Gemeinschaft. In einer Welt, die oft auf materielle Güter fokussiert ist, erinnert uns Rosi mit einem Lächeln daran, dass manchmal die einfachsten Dinge die größte Freude bereiten können. Und genau dafür ist sie bereit, ihre persönliche Freizeit zu investieren.

„Ich motiviere Kinder - und was machst Du?“